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Bauern fehlen Saisonarbeiter

Foto: Paul Zinken/dpa

Der Spargelbauer Jörg Heuer hat schnell reagiert: Als die Bundesregierung vergangene Woche ankündigte, ausländischen Saisonarbeitern wegen des neuen Coronavirus die Einreise zu verweigern, charterte der 49-Jährige kurzerhand ein eigenes Flugzeug. Für eine fünfstellige Summe, wie er sagt, ließ er rund 120 Rumänen einfliegen, um seine Ernte - und damit sein Geschäft - zu retten.

Auf mehr als 100 Hektar Land baut Heuer bei Burgwedel in Niedersachsen Spargel und Beeren an, in zweiter Generation, die Eltern des 49-Jährigen haben den Hof 1981 gegründet. Mit dem Flieger hat er einen Personalengpass bei der Ernte in diesem Jahr gerade noch abgewendet. «Wir kommen zurecht», sagt er. In der Branche allerdings gebe es dieses Jahr deutlich weniger Erntehelfer als sonst. Auch ihm hätten viele bewährte Helfer diesmal abgesagt. Spargel ist ein Luxusgemüse, man kann auch ohne ihn gut leben, auch wenn das «weiße Gold» für viele zum Frühling dazugehört wie die Ostereier. Für Heuer aber ist der Spargel die wirtschaftliche Existenzgrundlage. «Wir leben von diesen drei Monaten», sagt Heuer über die Ernte. «Das können wir nicht verlegen wie die Messen oder ein Fußballspiel.» Der Einreisestopp treffe Obst-, Gemüse- und Weinbaubetriebe, aber auch größere Betriebe in der Tierhaltung «sehr hart», sagt auch der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied. Die Einschränkungen müssten daher «so kurz wie möglich» gehalten werden. Einige Obst- und Gemüsesorten drohen Rukwied zufolge sogar knapp zu werden. «Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist nicht gefährdet, dennoch kann es durchaus bei verschiedenen Kulturen im Obst- und Gemüsebereich zu Versorgungslücken kommen.» Die Verbraucher müssten sich zudem auf höhere Preise einstellen: «Diese Verknappung wird auch Auswirkungen auf den Preis haben.» So weit will Bauer Heuer nicht gehen. Er geht davon aus, fast seine gesamte Ernte einfahren zu können. Die Preise seien daher bisher auf dem Niveau des Vorjahrs. «Da hat sich nix geändert.» Holger Hennies, Vizepräsident des Landvolks, dem niedersächsischen Bauernverband, sieht dagegen in dem Mangel an Saisonarbeitern «eine echte Existenzbedrohung». Niedersachsen kann dabei stellvertretend für den Spargelanbau gesehen werden, denn nirgendwo in Deutschland wird mehr angebaut - rund 27 500 Tonnen Spargel wurden hier 2019 von den Feldern geholt, gut ein Fünftel der gesamten deutschen Spargelernte. Hennies betont, dass es schnelle Lösungen brauche, um Engpässe auf den Feldern abzuwenden. Der Spargel müsse jetzt geerntet werden. Aber: «Keiner weiß, wer's machen soll.» Ähnliches gilt für die Aussaat anderer Gemüsesorten, etwa Brokkoli und Kohl. Das Einreiseverbot für Saisonarbeiter gilt auf Anordnung des Bundesinnenministeriums seit vergangenem Mittwoch. Und das sorgt auch innerhalb der Union für Zoff. Vergangene Woche wandten sich CDU-Agrarpolitiker aus den 15 Bundesländern außer Bayern in einem Brief an Innenminister Horst Seehofer (CSU). Darin heißt es, die Einreisebeschränkungen seien «kontraproduktiv» und stellten die Landwirtschaft «vor eine nicht lösbare Aufgabe». Neben der Obst- und Gemüsebranche würden auch Schlachtbetriebe darunter leiden. In einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) legen Unionspolitiker nun nach - sie fordern eine Lockerung der Einreisebeschränkungen für Saisonarbeitskräfte aus Rumänien und anderen EU-Mitgliedstaaten. Die deutschen Landwirte müssten in den nächsten Tagen entscheiden, welche Obst- und Gemüsesorten noch angebaut und geerntet werden könnten, daher sei keine Zeit zu verlieren, heißt es in dem Schreiben der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der Fraktion, das der dpa vorliegt. «Zur Wahrheit gehört aber, dass unser Selbstversorgungsgrad bei Obst und Gemüse im Schnitt zwischen nur 22 und 38 Prozent liegt.» Die Weichen für das Angebot ab Sommer würden jetzt gestellt. Das Agrarministerium setzt derweil auf Unterstützung aus dem Inland. «Die Bauern alleine können das nicht schaffen», heißt es. «Wir brauchen jetzt Menschen, die bereit sind, aushilfsweise in der Landwirtschaft zu arbeiten.» Dafür wurden die Rahmenbedingungen erleichtert: Saisonarbeiter können nun länger sozialversicherungsfrei arbeiten - statt wie bisher 70 Tage sind jetzt 115 Tage möglich. Doch wer soll die Arbeit machen? Mehrere Online-Plattformen helfen bei der Vermittlung, um überhaupt noch Saisonarbeiter zu finden. Der Bauernverband und der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) bieten diesen Service jetzt kostenlos an. Auf einem anderen Portal der Landwirtschaftskammern meldeten sich binnen Tagen bereits rund 1000 Interessierte. Die Hilfsangebote freuen die Landwirte. Sie sind allerdings nur eine Notlösung, wie Landvolk-Vize Hennies erklärt. «Spargelstechen ist eine Technik, die muss man können. Da muss man auch eine gewisse Leistung pro Stunde erbringen, und es muss eine vernünftige Qualität dabei herauskommen», sagt er. Die Vorstellung, dass ungelernte deutsche Helfer die Saisonkräfte aus Osteuropa ersetzen, hält er für «nicht unmöglich, aber schwierig». Spargelbauer Heuer sagt, er setze die Deutschen lieber im Verkauf und als Fahrer ein als auf dem Feld. Auch in Brandenburg, mit Beelitz ebenfalls eine Spargel-Hochburg, sind die ungelernten Helfer derzeit gefragt. Euphorie sei allerdings fehl am Platze, sagt Andreas Jende, Geschäftsführer des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg. «Die Arbeit in der Landwirtschaft ist nicht zu verwechseln mit der im heimischen Kleingarten», erklärt er und warnt: «Es kann körperlich hart werden.» (Text: Christopher Weckwerth, dpa)