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Streik auf Autobahn-Raststätte: Lkw-Fahrer kämpfen für ihren Lohn

Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Seit Tagen sind rund 50 Fernfahrer aus Georgien und Usbekistan auf einer Raststätte in Südhessen im Streik. Nach eigenen Angaben warten sie auf ihr Geld, klagen über miserable Arbeitsbedingungen. Nach einer Eskalation am Karfreitag erfahren sie nun viel Solidarität.

Die Nächte werden langsam ungemütlich kalt, denn mit den zu Ende gehenden Diesel-Vorräten läuft auch die Standheizung in den Fahrerkabinen der streikenden Lastwagenfahrer nicht mehr. Ihr Wille, für faire Bezahlung und ihre ausstehenden Löhne zu kämpfen, ist dennoch ungebrochen. «Die Stimmung ist prima», sagt Ruslan, einer der Streikenden. «Wir haben bis jetzt durchgehalten, wir wollen weiterkämpfen.» Und noch etwas betont er: «Wir haben keine Angst. Wir lassen uns nicht einschüchtern.» Denn die rund 50 Fernfahrer einer polnischen Firma, die seit Ende März auf der Raststätte Gräfenhausen an der A5 in der Nähe von Darmstadt in Streik getreten sind, haben turbulente Tage hinter sich. Die meisten der Männer stammen aus Georgien und Usbekistan, sind nach Gewerkschaftsangaben Scheinselbstständige im Auftrag des polnischen Spediteurs. Die Fahrer, die nach eigenen Angaben seit Monaten auf ihr Geld warten, erhielten am Karfreitag ungebetenen Besuch vom Inhaber der Spedition - und er kam nicht allein. In drei Kleinbussen des Unternehmens und zwei Fahrzeugen, die auch in einen US-Polizeikrimi gepasst hätten, rückten 18 Mitarbeiter der «Patrol Rutkowski» an, eines Sicherheitsunternehmens, das der Spediteur angeheuert hatte. Einige der teils maskierten, schwarz gekleideten breitschultrigen Männer, die sich vor den Fernfahrern aufstellten, hatten Abzeichen um den Hals baumeln, die an Sheriffsterne erinnerten. Ein polnisches Kamerateam war mit angereist, anscheinend sollte die Entschlossenheit des Unternehmers auch dem heimischen Publikum demonstriert werden. Deutsche Gewerkschafter, die den Vorfall beobachteten, sprachen von einem paramilitärischen Schlägertrupp. Auf einem auch in sozialen Netzwerken verbreiteten Video ist zu sehen, wie ein Sicherheitsmann gegen den Protest der Fahrer in einen Lastwagen steigt und ihn wegzufahren versucht, ein zweiter Versuch scheitert am Widerstand der Fahrer, die das Fahrzeug umringen. Die Besatzung eines Streifenwagens versucht, die Situation unter Kontrolle zu behalten, bis Verstärkung eintrifft. Im Hintergrund ist die Stimme des Spediteurs zu hören: «Ihr werdet alle deportiert!», droht er. Krzysztof Rutkowski, der Chef der schwarz gekleideten Security-Truppe, gibt sich in einem Interview des polnischen Online-Portals «Wirtualna Polska» harmlos und macht der deutschen Polizei Vorwürfe: «Das ist ein internationaler Skandal», klagt er und behauptet, die Aktion am Karfreitag sei bei der Polizei angemeldet gewesen. Der Speditionsinhaber habe seine Männer angeheuert, um mit den Streikenden «Verhandlungen» zu führen: Ihm drohten enorme Strafen von den Auftraggebern, die auf ihre Waren warteten. Die Fahrer hätten seine Leute angegriffen, behauptet Rutkowski, der in seiner Heimat eine schillernde Figur ist. «Das, was am Freitag geschehen ist, darf sich ein Rechtsstaat nicht gefallen lassen», sagt der hessische Fraktionsvorsitzende der Landtags-SPD, Günther Rudolph, am Sonntag. Der Spediteur und das Sicherheitsunternehmen stellten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die Sicherheit in Hessen dar. «Es darf keine Selbstjustiz auf hessischem Grund geben», betont Rudolph, der am Sonntag die Trucker auf der Raststätte besucht. Bei veganem Erbseneintopf und Halal-Würstchen erhalten die Fahrer am Sonntag Solidarität von Gewerkschaftern und Politikern. «Danke für die Solidarität», sagt Ruslan. «Das ist großartig, das hilft uns sehr.» Hilfe kommt nicht nur in Form von zusätzlichem Treibstoff, den Tiny Hobbs von der Gewerkschaft Verdi den Fahrern vorbeigebracht hat, damit sie in den Nächten nicht frieren müssen, und auch nicht nur durch Essen, das von Freiwilligen vorbeigebracht wird. Auch grüßen Autofahrer, die an der Raststätte tanken und von dem Streik gehört haben, die Streikenden hupend und mit hochgerecktem Daumen. Eine Familie bringt ein paar Kilo Nudeln und eine Palette Tomatensoße für die Streikküche vorbei - immer wieder erfahren die Fahrer spontane Solidarität. Verdi-Fahnen hängen als Zeichen der Solidarität an Lastwagenplanen. Berater des Netzwerks «Faire Mobilität» sind vor Ort und machen auch in sozialen Netzwerken auf den Protest der Fahrer aufmerksam. In einem Lastwagen ist ein provisorischer Aufenthaltsraum mit Bierbänken und -tischen aufgestellt worden, an denen die streikenden Fahrer eine Kleinigkeit essen können, sich aber auch einfach nur mal zum Kartenspiel oder zu einer Unterhaltung zusammensetzen können. Einer der streikenden Fahrer ist der Georgier Kakhaberi Maharadze, ein untersetzter Mann mit einem von Falten zerfurchten Gesicht, dem man ein hartes Leben voll körperlicher Arbeit ansieht. Dennoch liegt ein warmes Funkeln in seinen braunen Augen, wenn er von seiner Frau, den Kindern und vier Enkelkindern erzählt, die er seit Monaten nicht gesehen hat. «Weihnachten war ich zuletzt zu Hause», sagt er und streicht mit dem Daumen über das Handy-Foto seiner Tochter und seiner Enkelin. Auch viele der anderen Fahrer waren oft seit Monaten nicht bei ihren Familien, lebten in ihren Wagen, obwohl die geltenden Vorschriften das nicht erlauben. Seit eineinhalb Jahren arbeitet der Georgier als Lastwagenfahrer, hoffte von einer Arbeit in Europa auf eine bessere Zukunft für seine Familie. Doch dieser Traum sei erst einmal geplatzt. Nicht nur, dass er seit Februar kein Geld bekommen habe - er habe auch keine Versicherung, so der Fahrer. «Bis vor ein paar Monaten hatte ich eine Krankenversicherung, die aber nur für Polen galt. Und die ist jetzt auch abgelaufen.» Mehr noch: Nach einem Unfall würden die Fahrer zur Kasse gebeten. «Eigentlich habe ich drei Jobs», sagt Maharadze, der Wimpel seiner georgischen Heimat in der Fahrerkabine seines Wagens angebracht hat. «Ich sitze nicht nur hinter dem Steuer, ich muss auch die Be- und Entladung machen und bin für die Sicherheit verantwortlich. Und doch warte ich trotz aller Arbeit seit Wochen auf meinen Lohn.» (Text: Eva Krafczyk)