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Wochenmärkte in der Krise

Foto: Jörg Halisch/dpa

Die steigenden Preise und die Sparsamkeit vieler Verbraucher setzen Händlern auf Wochenmärkten in Deutschland zu. Die Umsätze gingen 2023 bundesweit im Vergleich zum Vorjahr inflationsbereinigt um 6,5 Prozent zurück, in einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen sogar um mehr als 10 Prozent. Das geht aus amtlichen Statistiken hervor. Die Erlöse der Branche sanken damit deutlich stärker als die des Einzelhandels insgesamt, der real 3,3 Prozent weniger umgesetzt hat.

«An Verkaufsständen und auf Märkten werden vorwiegend Lebensmittel verkauft, die 2023 besonders hohe Preissteigerungen zu verbuchen hatten», sagte Handelsexperte Marcel Schorsch vom Statistischen Bundesamt. Die Produkte seien in der Regel teurer, «so dass die Kunden bei steigenden Preisen nach kostengünstigeren Alternativen gesucht haben.» Vor allem Discounter profitierten zuletzt davon, dass viele Verbraucher auf günstige Alternativen ausgewichen sind. Sie verzeichneten unter anderem ein deutliches Plus bei Bio-Produkten. Preise steigen, Mengenumsatz geht zurück! Laut Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft verdanken die Wochenmärkte ihre Umsätze vor allem den steigenden Preisen. Der Mengenumsatz und die Zahl der Haushalte, die dort einkaufen, sei deutlich rückläufig. Laut Daten der Marktforscher von GfK entfielen in Deutschland nur 1,1 Prozent der Verbraucherausgaben bei frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Fleischwaren, Geflügel, Eier, Käse, Brot und Gebäck auf Wochenmärkte. «Die Branche hat in den vergangenen 30 bis 40 Jahren insgesamt stark an Bedeutung verloren. In der Bevölkerung sind die Märkte beliebt, aber viele Menschen gehen gar nicht hin. Die Kundschaft ist auch stark überaltert», so Behr. Umsatzschub in der Coronazeit: Der Bundesverband Schausteller und Marktkaufleute (BSM) sieht einen weiteren Grund für den Einbruch beim Geschäft, nämlich eine Normalisierung nach der Coronazeit. In den Jahren 2020 bis 2022 hätten die Märkte ein außergewöhnliches Umsatzplus verzeichnet, sagte BSM-Sprecher Olaf Lenz. «Viele Kunden haben es vorgezogen, ihre Einkäufe unter freiem Himmel zu tätigen, um das Risiko einer Infektion zu reduzieren.» Nach der Pandemie änderten die Verbraucher ihre Einkaufsgewohnheiten jedoch wieder. Lenz zufolge habe man inzwischen wieder das Niveau vor Corona erreicht. Weniger aktive Marktleute! Eine grundsätzliche Existenzkrise der Wochenmärkte sieht der Verband nicht. Die Nachfrage und das Konsumverhalten seien langfristig stabil. Auf der Angebotsseite gibt es dennoch Probleme. Laut BSM sinkt die Zahl der aktiven Marktkaufleute. «Immer weniger junge Menschen wollen diesen Beruf ergreifen. Er bedeutet lange Arbeitszeiten unter freiem Himmel, auch unter ungünstigen Witterungsbedingungen muss der Marktstand geöffnet sein», sagte Lenz. Weil Personal fehlt, sei es oft nicht möglich, Betriebe weiterzuführen, wenn jemand in den Ruhestand gehe. Bundesweit gibt es laut dem BSM etwa 40 000 Marktkaufleute. Die Zahl der Märkte sei relativ konstant, viele seien in den vergangenen Jahren jedoch geschrumpft. Zahlen nannte der Verband nicht. Wettbewerb mit Supermärkten und Discountern: Sven Schulte von den Industrie- und Handelskammern NRW ist überzeugt, dass Wochenmärkte eine Zukunft haben. «Die Menschen gehen nicht nur dorthin, um sich zu versorgen. Ein Markt ist immer auch ein Treffpunkt und hat eine soziale Funktion», sagte der fachpolitische Sprecher. Auch die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sei hoch. Dennoch sieht Schulte einen stärkeren Wettbewerb. «Supermärkte und Discountern bieten inzwischen auch viele regionale und nachhaltig erzeugte Produkte an.» Die Wochenmärkte dürften nicht zu sehr ausdünnen. «Wenn es irgendwann nicht mehr 30 oder 40, sondern nur noch 15 Stände sind, trägt das nicht mehr.» Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov vom 5. März gehen 15 Prozent der Menschen in Deutschland mindestens einmal in der Woche auf einem Wochenmarkt einkaufen, 14 Prozent zumindest einmal im Monat, 38 Prozent seltener und 30 Prozent nie.