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Großes Loch oder Mini-Lücke im Geldbeutel

Foto: dpa-tmn

Hunderttausende Betriebe haben in der Corona-Krise bereits Kurzarbeit angemeldet. Millionen Arbeitnehmer in verschieden Branchen könnten betroffen sein. Doch während die Kurzarbeit bei den Menschen in manchen Branchen tiefe Löcher in die Finanzen reißt, kommen andere fast ungeschoren davon. Entscheidend dafür, ob am Ende bis zu 40 oder nur ein paar Prozent des Nettoeinkommens fehlen, ist vor allem, ob es im Tarifvertrag oder in Betriebsvereinigungen Regeln zur Aufstockung gibt.

Grundsätzlich reduziert der Arbeitgeber bei Kurzarbeit Arbeitszeit und Lohnzahlung um bis zu 100 Prozent. Allerdings springt die Bundesagentur für Arbeit ein und ersetzt bei Menschen ohne Kinder 60, bei Menschen mit Kindern 67 Prozent des weggefallenen Nettoeinkommens. Wie sehr diese Lücke schmerzt und ob es mehr gibt, kommt auf die Branche an - und ob der Arbeitgeber im Tarifvertrag ist oder sich zumindest daran orientiert. Ein Überblick: Gastgewerbe: Hier trifft es die Mitarbeiter hart. Es gibt keine Aufstockungsregelungen und die Branche ist «überdurchschnittlich und als erstes» betroffen, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) betont. Viele Betriebe hätten komplette Kurzarbeit angemeldet - also die Arbeitszeit auf Null gesetzt. Hinzu kommt, dass die Löhne im Gastgewerbe nicht besonders hoch sind und beim Servicepersonal auch noch die Trinkgelder wegfallen. Ein typisches Einkommen für eine Köchin in Berlin sind laut NGG gut 1500 Euro netto - in kompletter Kurzarbeit und ohne Kinder wären es nur noch gut 900 Euro. Systemgastronomie: Diese Branche ist laut NGG überdurchschnittlich betroffen. Hier profitieren die Mitarbeiter allerdings von einer jüngst getroffenen Aufstockungsregel und bekommen 90 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Ein typischer Wert sind hier laut NGG gut 1220 Euro - bei kompletter Kurzarbeit blieben dann rund 1100. Handel: In kaum einer Branche hat die Corona-Krise eine so große Bandbreite an Auswirkungen. Im Lebensmittelhandel sei Kurzarbeit kein Thema, heißt es vom Handelsverband Deutschland (HDE). Im sogenannten Non-Food-Bereich seien viele Händler allerdings wegen der Ladenschließungen «auf Kurzarbeitsregelungen dringend angewiesen». Eine tarifliche Vereinbarung zum Kurzarbeitergeld gibt es laut Verdi und HDE nur in Nordrhein-Westfalen. Anfangs wird dort auf 100, dann auf 90 Prozent aufgestockt, begrenzt bis zur Jahresmitte. Allerdings existieren noch zusätzliche Vereinbarungen bei einzelnen Arbeitgebern, nach Verdi-Angaben unter anderem bei H&M oder Primark. Metall- und Elektroindustrie: Mit rund 3,8 Millionen Beschäftigten gehört die Branche zu den absoluten Schwergewichten. Die Regelungen zum Kurzarbeitergeld sind hier allerdings der IG Metall zufolge sehr unterschiedlich. In Baden-Württemberg gibt es in den tarifgebundenen Unternehmen beispielsweise eine Aufstockung auf 85 bis 95 Prozent. Der bereits in einigen Ländern geltende Pilotabschluss aus Nordrhein-Westfalen sieht zwar keine direkte Aufstockung vor, beinhaltet aber andere Maßnahmen, durch die laut Gewerkschaft das Einkommen auf rund 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens steigt. Zudem gibt es bei vielen Unternehmen Vereinbarungen, die über die Regelungen hinausgehen - Audi beispielsweise stockt auf 95 Prozent auf. Auch VW, BMW und Daimler gleichen große Teile der Einkommensverluste aus. Auch bei Zulieferern gibt es solche Fälle. Bei Knorr-Bremse wird bei den 4000 Betroffenen der von Kurzarbeit betroffene Gehaltsteil auf rund 85 Prozent aufgestockt. Lufthansa: Der Konzern ist stark betroffen. Die Kurzarbeitergeld-Regelungen variieren aber: Bei Kabinen- und Bodenpersonal sowie Mitarbeitern der Tochter Eurowings wird das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent aufgestockt. Bei der Technik gilt dieser Satz ebenfalls für die meisten Mitarbeiter. Piloten bei Lufthansa werden auf 85 bis 87 Prozent aufgestockt. Bei Germanwings gibt es bisher weder Kurzarbeit noch eine Vereinbarung zur Aufstockung. Kfz-Handwerk: Hier gibt es - je nach Tarifgebiet - unterschiedliche Regelungen in den tarifgebundenen Unternehmen. In Niedersachsen, Bayern und Sachsen gibt es eine Aufstockung auf 90 Prozent, in Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg auf 80 Prozent. Ein typischer Beschäftigter in Niedersachsen bekommt laut IG Metall normalerweise gut 2100 Euro netto. Bei kompletter Kurzarbeit blieben ihm durch die Aufstockung noch gut 1900 Euro. Ohne Aufstockung und ohne Kinder wären es nur knapp 1300. Telekom: Der Konzern hat die Aufstockung jüngst angehoben. Künftig gibt es im Fall der Kurzarbeit 85 Prozent. Chemisch-pharmazeutische Industrie: Die Branche ist sehr unterschiedlich betroffen. Unternehmen, die etwa Reifen herstellen, leiden laut Gewerkschaft IG BCE deutlich stärker als solche, die Arzneimittel produzieren. Eine Umfrage des Bundesarbeitgeberverbands Chemie deutet nun darauf hin, dass etwa 85 000 der insgesamt 580 000 Beschäftigten in der Branche im April in Kurzarbeit sein werden - ein rasanter Zuwachs zum März. Der Tarifvertrag in der Branche sieht eine Aufstockung auf 90 Prozent vor. Öffentlicher Dienst: Für die meisten Bereiche dieser Branche sei Kurzarbeit «überhaupt kein Thema» heißt es von Verdi. Wo es doch dazu kommt, erleiden die Mitarbeiter nur vergleichsweise geringe Einbußen: Das Kurzarbeitergeld wird bei den schlechter bezahlten Lohngruppen auf 95 Prozent, bei den besser bezahlten auf 90 Prozent aufgestockt. Filmwirtschaft: Auch hier gibt es eine Vereinbarung für die Corona-Krise: Bei Filmproduktionen wird laut Verdi auf 90 Prozent aufgestockt. Textile Dienste: Zu dieser Branche zählen unter anderem Reinigungen. Hier werden rund 80 Prozent des Nettolohns erreicht. Private Banken: Hier gibt es nach Auskunft des Arbeitgeberverbands keine Vereinbarung zur Kurzarbeit und damit auch keine Aufstockung über die 60 beziehungsweise 67 Prozent hinaus. Im Moment sei Kurzarbeit aber auch noch kein Thema. (Text: Christof Rührmair, dpa)