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Rasche Hilfe auf dem Hof - doch es fehlen Betriebshelfer

Foto: Timo Jaworr/Bundesverband der Maschinenringe/dpa

Die Hopfenernte war gerade vorbei, doch es musste noch aufgeräumt werden. Da schoss Lorenz Reich der Schmerz ins Kreuz. Bandscheibenvorfall. Wer sollte jetzt auf dem Hof weiterarbeiten? Für die Landwirtschaft in Deutschland gibt es dafür eine Lösung: Betriebshelfer werden über den Maschinenring vermittelt, wenn auf einem Hof ein Mitarbeiter ausfällt - also meist der Landwirt selbst. Denn Tiere brauchen regelmäßig ihr Futter, und Kühe müssen gemolken werden, da lässt sich nichts verschieben. Und wenn das Wetter passt, muss geerntet werden.

Im Gegensatz zu früher, als sich Nachbarn oft unkompliziert im Stall gegenseitig unterstützten, gibt es in vielen Dörfern höchstens noch einen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Technik wird auch stets komplizierter, so dass es Experten statt Laien braucht. Betriebshelfer springen also im Notfall ein. Wenn eine Arbeitskraft auf dem Hof krank wird oder sogar stirbt. Wenn eine geplante Operation ansteht oder ein Baby geboren wird. Doch das Problem: Es gibt immer weniger solcher Helfer, die der Maschinenring vermitteln kann. Die Landwirtschaft habe genau wie das Handwerk mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen, sagt Patrick Fischer, Sprecher des Bundesverbandes der Maschinenringe in Neuburg an der Donau. Wer sich zum Landwirt ausbilden lässt oder ein entsprechendes Studium absolviert, steige inzwischen oft früh im elterlichen Betrieb ein oder finde in anderen Agrarbereichen eine Stelle. «Dazu kommt, dass Betriebshelfer flexibel sein müssen. Im Schnitt übernimmt ein Betriebshelfer zehn bis zwölf verschiedene Betriebe pro Jahr.» Lorenz Reich war erst unsicher, als Betriebshelfer Patrick Lerchl auf seinen Hof in der Hallertau ankam. Ein fremder Mensch im eigenen Betrieb? Doch die Chemie habe sofort gestimmt. «Patrick ist ein engagierter Mann, er hat sofort verstanden, worum es geht. Er hat gesehen, was zu tun ist. Mir war dann klar: Der kann das, der macht das, das läuft.» Lerchl hat die Ausbildung zum Landwirt gemacht, ohne einen Hof in der Familie zu haben. Landwirtschaft sei seine «Berufung. Das war immer schon mein Ding, meine Leidenschaften sind Tiere und Technik.» An seiner Stelle als Betriebshelfer schätzt er die Abwechslung - was aber zugleich bedeutet, dass er spontan sein muss: Es komme schon vor, dass um 14 Uhr das Handy klingelt und er für den späten Nachmittag zum Einsatz auf einem Milchviehbetrieb gerufen wird. Oder dass er eigentlich Urlaub hat, dann aber schnell Hilfe auf einem Hof gebraucht wird, weil der Landwirt eines Herzinfarkt erlitten hat. «Da sagt man natürlich nicht Nein.» Etwa 5000 Betriebshelfer stehen den Maschinenringen in Deutschland zur Verfügung. Sie müssen sich nicht nur in einem meist als Familienbetrieb geführten Hof einfügen, sondern auch schnell mit der Technik vertraut sein. «Es gibt verschiedene Melkroboter und verschiedene Landtechnik, die sich manchmal komplett voneinander unterscheiden», erläutert Fischer. Gerade aber für junge Landwirte sei das oft ein Argument, zumindest ein paar Jahre in der Betriebshilfe zu arbeiten. «Als Betriebshelfer bekommen sie einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Techniken und Hersteller. Dieses Wissen können sie nicht nur auf ihren Einsatzbetrieben sondern – sofern vorhanden – auf dem eigenen beziehungsweise elterlichen Betrieb anwenden.» Mit gezielten Werbeaktionen sprechen die Maschinenringe inzwischen Nachwuchslandwirte, aber auch Tierwirte, Winzer oder Gärtner mit Schwerpunkt Obstbau für Stellen in der Betriebshilfe an: Betriebshelfer seien keine Aushilfskräfte, vielmehr übernähmen sie komplett die Verantwortung auf einem Hof. Das System der Betriebshilfe ist eine Art Alleinstellungsmerkmal für die Landwirtschaft. Wenn die Bäcker-Meisterin mit eigener Backstube krank wird oder der Friseur mit eigenem Salon sich den Arm bricht, gibt es in der Regel keine schnelle Hilfe durch eine übergeordnete Stelle. Neben den Betriebshelfern gibt es auch ein Netz an Dorfhelferinnen in Bayern und anderen Regionen in Deutschland, die vor allem bei hauswirtschaftlichen Fragen zum Einsatz kommen oder wenn auf dem Hof Angehörige zu pflegen oder Kinder zu betreuen sind. Betriebshelfer und Dorfhelferinnen seien auf den Bauernhöfen «oft die Retter in der Not», sagt ein Sprecher des Bayerischen Bauernverbandes (BBV). «Denn Erntezeit, Feldarbeiten und Stallarbeiten nehmen keine Rücksicht auf Ausfälle durch Krankheiten oder Unfälle.» Bezahlen muss ein Landwirt oder eine Landwirtin übrigens nicht selbst für die Betriebshilfe. Die landwirtschaftliche Sozialversicherung (SVLFG) mit Sitz in Kassel übernimmt für ihre Versicherten die Kosten. Von 2014 bis 2019 seien im Durchschnitt pro Jahr rund 63 000 Einsätze für Betriebs- und Haushaltshilfe bewilligt worden, heißt es bei der Versicherung. (Text: Kathrin Zeilmann, dpa)