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Lehrermangel: Wie Quereinsteiger für den Unterricht pauken

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«Ich bin der Prinz», sagt ein Mann. Er ist umringt von Kollegen. Sie verstecken sich hinter einem Vorhang und schnellen hoch, wenn sie in dem Theaterstück an der Reihe sind. Andere in dem Seminarraum in Berlin sehen sich das an, kichern und applaudieren. Der eine oder andere wird die Variante des «Aschenputtel»-Märchens vielleicht nutzen - als Lehrer an einer Berliner Grundschule.

Studiert haben sie alle nicht auf Lehramt, sondern etwas anderes. Über einen Quereinstieg gelangten sie in den Schuldienst und qualifizieren sich nun parallel weiter. Vielerorts in Deutschland wird mit ähnlichen Konzepten seit Jahren versucht, das Problem Lehrermangel einzudämmen. Doch es gibt auch Kritik daran. «Das Land Berlin braucht dringend Lehrkräfte», sagt die Referatsleiterin für Lehrkräftebildung in der Berliner Bildungssenatsverwaltung, Anja Herpell. In naturwissenschaftlichen Fächern wie Mathe, Physik und Biologie gilt das besonders. Die Quereinsteiger gehen demnach «sofort in den Schuldienst, das liegt am Bedarf». Parallel dazu qualifizieren sie sich über Jahre berufsbegleitend, am Ende steht dann die Lehramts-Staatsprüfung an. Berlin eröffnete vor Jahren das Studienzentrum für Erziehung, Pädagogik und Schule. Herpell betont, dass ihr kein anderes Bundesland bekannt sei, das ein eigenes Institut für die Weiterbildung von Quereinsteigern geschaffen hätte. Zurzeit laufen die letzten Quereinsteiger-Einstellungen in Berlin. Wie viele es am Ende sein werden, ist noch nicht bekannt. In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Konzepte. In den vergangenen Jahren stieg deutschlandweit der Anteil von Quer- oder Seiteneinsteigern bei allen Einstellungen in den öffentlichen Schuldienst, wie Zahlen der Kultusministerkonferenz belegen. 2018 lag er bei 13,3 Prozent (2017: 12,6 Prozent, 2016: 8,4 Prozent). Sachsen führte 2018 die Liste an - dort machten die Seiteneinsteiger die Hälfte der Einstellungen aus. Berlin folgte mit rund 40 Prozent. In Sachsen läuft noch das Einstellungsverfahren für grundständig ausgebildete Lehrer. «In der Tendenz gehen wir davon aus, dass wir in diesem Jahr weniger Seiteneinsteiger brauchen, aber das können wir erst mit Sicherheit sagen, wenn das Einstellungsverfahren komplett abgeschlossen ist», teilt das Staatsministerium für Kultus mit. Das Problem sei, dass sich zwar mehr beworben hätten, aber viele nur nach Dresden oder Leipzig gehen und nur am Gymnasium unterrichten wollten. Auch in Berlin ist der Lehrermangel an Gymnasien längst nicht so gravierend wie an Grundschulen, Schulen mit Sonderpädagogik oder beruflichen Schulen. Probleme hätten auch weniger beliebte Schulen, erläutert Herpell. Können Stellen mit studierten Lehrern nicht besetzt werden, kommen Quereinsteiger zum Zug. Spricht man die Berliner Seminargruppe auf ihre Motivation an, sagen mehrere Teilnehmer, dass sie beruflich «etwas Neues» wollten. Einer war vorher Journalist, eine Frau studierte Chemie und arbeitete in einem Büro. Die Studienfächer Amerikanistik und Geschichte bringt eine andere Frau mit. Die Quereinsteiger seien im Vergleich zu den klassischen Lehreranwärtern, die an Hochschulen studieren, im Schnitt zehn Jahre älter, hätten häufiger bereits eine Familie gegründet und mehr Erfahrung in Erziehungsbereichen, zum Beispiel durch Tätigkeit in Sportvereinen oder Musikschulen, sagt Herpell. Die Bildungsgewerkschaft GEW Berlin hält einige Punkte für kritisch. «Die Quereinsteiger machen eine tolle Arbeit und bereichern, aber sie brauchen eine noch bessere Unterstützung», sagt Sprecher Markus Hanisch. Sie sollten weniger Unterrichtsstunden haben, um sich besser auf den jeweiligen Unterricht vorbereiten und ihre berufsbegleitende Ausbildung erfolgreich absolvieren zu können. Auch sollten Schulen mehr Stunden dafür zur Verfügung bekommen, dass sich andere Lehrer quasi als Mentor stärker um die Quereinsteiger kümmern könnten. (Text: Anna Ringle, dpa)