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Zehn Jahre nach Horror-Rekord

Foto: Sonja Wurtscheid/dpa

Es war pure Verzweiflung. Scharenweise flogen Menschen aus ihren Jobs. Banken gingen pleite, sie rissen ihre Kunden mit und diese ihre Lieferanten. Menschen nahmen sich das Leben, weil sie ihre Familien nicht mehr ernähren konnten. Andere fielen zurück in Armut, verloren alles. Im weltweiten Sog der Finanzkrise stieg die Arbeitslosigkeit auf dem Globus auf einen nie wieder erreichten Rekordwert. «212 Millionen Menschen ohne Job» verkündete am 27. Januar 2010 die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) - das waren damals 6,6 Prozent der Weltbevölkerung im arbeitsfähigen Alter.

Zehn Jahre später sieht die Welt wieder etwas besser aus - aber keineswegs rosig. 188 Millionen Menschen sind nur noch ohne Job, obwohl die Bevölkerung inzwischen deutlich gewachsen ist. Aber: Bei 165 Millionen Menschen, die einen Job haben, reicht das Einkommen nicht zum Leben, wie die ILO bemängelt. Die UN-nahe Organisation geht davon aus, dass insgesamt 470 Millionen Menschen auf dem Planeten derzeit keinen oder nur unzureichenden Zugang zu Arbeit und damit zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes haben. Läuft die Welt Gefahr, erneut in eine solch brenzlige Situation zu geraten? Stefan Kühn, Mitautor des jährlichen Internationalen Arbeitsmarktberichtes, will das nicht ausschließen. «Ich glaube nicht, dass die Systeme insgesamt robuster geworden sind», sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Finanzmärkte seien heute etwas strikter reguliert. Dafür habe die Verschuldung der Staatshaushalte - abgesehen von Deutschland und einiger anderer Länder - stark zugenommen. «Die Handlungsspielräume sind stark eingeschränkt», erläutert Kühn. Im Moment liegt die weltweite Arbeitslosenquote bei 5,4 Prozent - und soll in den nächsten Jahren in etwa stabil bleiben. «Das bedeutet, dass die graduelle Verringerung der Arbeitslosenquote, die zwischen 2009 und 2018 zu beobachten war, gestoppt wurde», heißt es im neuesten Bericht der ILO. Zwischen 2009 und 2018 war die weltweite Arbeitslosigkeit vor allem durch eine starke Vorstellung der Industrieländer zurückgegangen. Das Wirtschaftswachstum fiel hier länger stärker aus als eigentlich erwartet. Deutschland hatte mit seinem Arbeitslosenrekord nicht bis zur Finanzkrise gewartet. Schon im Februar 2005 waren bundesweit 5,2 Millionen Menschen ohne Job. «Wir müssen jetzt das Rückgrat haben, die Reformen entschieden weiter umzusetzen», sagte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als Reaktion. Er meinte seine Agenda 2010 - von der wesentliche Teile inzwischen auch in der SPD mehr als nur umstritten sind. Tatsächlich ging es aber bergab mit der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Von einem kleinen Ausschlag nach oben im Krisenjahr 2009 abgesehen, sank die Arbeitslosigkeit gravierend - von 11,7 Prozent im Jahr 2005 auf rund 5 Prozent 2019. Im Dezember 2019 waren in Deutschland 2,227 Millionen Menschen ohne Job. Dass die radikalen Sparmaßnahmen der Regierung Schröder maßgeblich dazu beigetragen haben, bezweifeln viele. «Der Einfluss fand eher über Dinge wie die Neuorganisation von Jobcentern statt», sagt Kühn. Die strittigen Teile der Agenda, etwa die Hartz-IV-Problematik, hätten nach einschlägigen Studien nur einen geringen Einfluss ausgeübt. Die Rekordarbeitslosigkeit im Jahr 2009 hatten vor allem die Industrieländer Europas, Asiens und Nordamerikas ausgelöst - die meisten Schwellenländern hatte das Problem nur gestreift. Zehn Jahre später sind sie es, die leiden. Die Türkei, Brasilien, Venezuela, Argentinien - all diese Staaten mussten ihre Währungen stark abwerten, um ihre Staatshaushalte vor dem Kollaps zu bewahren. «Das Problem ist in vielen Ländern, dass es keine Strukturen gibt, die eine starke Binnennachfrage erzeugen können», sagt Experte Kühn. (Text: Michael Donhauser, dpa)