Die Bundesregierung muss dem massiven Personalmangel dringend mit besseren Arbeitsbedingungen und einer langfristigen Finanzierungsstrategie begegnen, um einen Zusammenbruch des ÖPNV zu verhindern. Das verdeutlicht eine neue Studie von KCW im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Da knapp 50 Prozent der Beschäftigten bis 2030 in Rente gehen oder den Beruf verlassen, sind bessere Arbeitsbedingungen zwingend nötig, um den ÖPNV aufrechtzuerhalten.
Der Bus kommt zu spät und der Busfahrer kann keine reguläre Pause machen. Oder er muss nach zwei Nachtschichten gleich wieder ran. Die Straßenbahn fällt aus, weil die Tramfahrerin krank ist. Ersatz gibt es keinen. Die beschriebenen Probleme sind keine Einzelfälle, sondern ein flächendeckender Ausdruck der schlechten Arbeitsbedingungen und des daraus folgenden Personalmangels im ÖPNV. Die Branche hat massive Probleme, Stellen zu besetzen, die Fluktuation der Beschäftigten ist überdurchschnittlich hoch und bald gehen geburtenstarke Jahrgänge in Rente. Ergreifen Bundesregierung und Kommunen nicht zeitnah Maßnahmen gegen diese Probleme, wird sich das ÖPNV-Angebot künftig massiv verschlechtern, warnen die Auftraggeber der Studie. Sie fordern die Bundesregierung auf, an ihrem Ziel festzuhalten, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln. Dies kann nur gelingen, wenn die Arbeitsbedingungen attraktiver werden, verdeutlichen aktuelle Berechnungen von KCW, einem führenden Beratungsunternehmen zum öffentlichen Verkehr. Schon um das aktuelle Fahrtenangebot zu halten, sind der Studie zufolge bis 2030 etwa 63.000 altersbedingt freiwerdende Stellen im kommunalen ÖPNV neu zu besetzen. Für eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 sind etwa 87.000 weitere Fachkräfte notwendig, prognostiziert KCW. Die zusätzlichen Personalkosten hierfür beziffern sich auf etwa 4 Mrd. Euro pro Jahr. Für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen im kommunalen ÖPNV braucht es zusätzliches Personal und das kostet Geld. Dabei haben bessere Arbeitsbedingungen wie ein Überstundenabbau einen positiven Effekt auf geringere Krankheitstage und Fluktuation. Die Klima-Allianz Deutschland und ver.di fordern von der Bundesregierung: - den kommunalen ÖPNV besser und langfristig zu finanzieren, um den akuten Personalmangel zu decken und darüber hinaus die Fahrgastzahlen ausweiten zu können - das Deutschlandticket über 2035 hinaus zu garantieren und ein deutschlandweites Sozialticket für Menschen mit wenig Einkommen einzuführen - eine Mobilitätsgarantie (Deutschlandtakt) auf dem Dorf und in der Stadt zu etablieren. Andreas Schackert, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Busse und Bahnen stellt fest: „Bis 2030 werden knapp 50 Prozent der Beschäftigten im ÖPNV in Rente gehen oder dem Beruf aus anderen Gründen den Rücken kehren. Dieser gewaltigen Lücke an Fachkräften müssen wir schon jetzt mit attraktiven Arbeitsbedingungen und guten Löhnen begegnen. Die Zeit des Lohndumpings muss endlich vorbei sein. Faire Löhne im ÖPNV sind der Grundstein für ein modernes und nachhaltiges Verkehrssystem.” „Damit alle Menschen in den Dörfern und Städten klimafreundlich mobil sein können, brauchen wir einen zuverlässigen öffentlichen Verkehr. Unsere Studie zeigt, dass attraktive Arbeitsbedingungen der Verdoppelung der Fahrgastzahlen helfen. Dichte Taktungen und ein attraktives Netz gibt es nur mit guten Arbeitsbedingungen im ÖPNV. Deswegen muss die Bundesregierung jetzt dringend handeln und die Kommunen finanziell unterstützen“, erklärt Stefanie Langkamp, Geschäftsleitung Politik der Klima-Allianz Deutschland. „Besondere Herausforderungen sehe ich in der großen Zahl der Neueinstellungen für eine doppelt so hohe Nachfrage. Neben guten Arbeitsbedingungen und einem attraktiven Berufsbild sind weitere Maßnahmen wie ÖPNV-Beschleunigung bis hin zum gezielten Ausbau kapazitätsstarker Schienenverkehre zu ergreifen. Für letztere braucht es zudem schnelle Planungen und Genehmigungen. Und dennoch: Gute Beschäftigungsbedingungen und ein attraktives Berufsbild sind unabdingbar”, so Christoph Schaaffkamp, Geschäftsführer von KCW. (Text: ver.di)